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13.09.2014

13. September 2014


Am Sonntag, dem 31. August verbringe ich wieder den ganzen Tag in der Schule, diesmal mit Aufräumarbeiten nach dem Fest. Bettina Grossauer, deren Pflegetochter auch die Schule im Dialog besuchen wird, hilft mir dabei. Wieder einmal bin ich jemandem sehr dankbar, denn alleine hätte ich das nie geschafft. Zusammen putzen wir uns durch das Haus und schieben auf Decken auch alle Möbel wieder dorthin, wo sie hingehören.

Am Abend kommen auch noch Bernhard und Nina. Gemeinsam wickeln und füllen wir 19 kleine Schultüten und bereiten den Wortgottesdienst für Montag vor.

Beim letzten Treffen im August habe ich alle Eltern gebeten, sich mit ihren Kinder darüber Gedanken zu machen, welche Wünsche, Erwartungen und Hoffnungen sie mit der neuen Schule verbinden. Diese Wünsche sollten auf kleine Zetteln notiert und zum Wortgottesdienst mitgebracht werden. Lustige und auch sehr berührende Sätze werden vorgelesen. Diese Kärtchen werden von uns das ganze Schuljahr über aufgehoben. Sie hängen schon über meinem Schreibtisch und zum Schulabschlussfest werden wir gemeinsam beurteilen, welche Wünsche und Erwartungen wir erfüllen konnten und welche nicht.

Dienstag, der erste echte Schultag ist nicht nur für die Kinder sehr anstrengend – wir haben gleich bis 11:45 Uhr Unterricht -sondern auch für Bernhard und mich. Ich bin noch etwas erschöpft und angeschlagen von den letzten Tagen und merke schon nach der 1. Stunde, dass die gewählte Sitzordnung nicht passt. Sechsergruppen sind in dieser Klasse momentan zu viel. Alles ist etwas chaotisch und laut. Nach den vier Stunden bin ich fix und fertig und zweifle an meinen Fähigkeiten und dann steigt Panik in mir hoch. Was ist, wenn ich mir da doch zu viel zugemutet habe? Wenn ich das, was ich in meinem pädagogischen Konzept den Eltern zugesagt habe, in dieser Klasse mit 19 so unterschiedlichen Kindern nicht halten kann? Ich komme wieder erst am Nachmittag von der Schule nach Hause und heule mich bei Felix aus. Dann falle ich ins Bett. Am Abend geht es mir wieder besser und ich beschließe einige Änderungen für den nächsten Tag.

Die neue Sitzordnung wirkt Wunder. In Vierergruppen und leistungsmäßig zusammengefasst, beruhigt sich die Lage zusehends. Außerdem bin ich am Mittwoch schon viel besser vorbereitet. Es wird ein guter Tag, nicht nur für unsere SchülerInnen, sondern auch für Marianne und für mich. Das Eis ist gebrochen, ich glaube wieder an mich und das, was ich kann. Jetzt bin ich mir sicher, dass alles gutgehen wird.

Im Laufe dieser beiden ersten Schulwochen lernen wir alle einander besser kennen und auch einschätzen. Ich beginne die ersten Montessorimaterialien inklusive Arbeitskarteien (Hunderterteppich/-brett, Ziffern und Chips, Wortartenschablonen, ...) einzuführen und wir arbeiten bereits mit meinen Deutschprogrammen. Auffällig ist für mich, dass die Leseleistung fast aller älteren SchülerInnen im Vergleich zu den Kindern, die von meiner ehemaligen Klasse zu mir gekommen sind (und teilweise sogar einen Sonderpädagogischen Förderbedarf hatten) sehr schwach ist. Das wird für die nächsten Monate unser Hauptziel sein: Eine messbare Verbesserung der Leseleistung. Die Fähigkeit in einem entsprechenden Tempo sinnerfassende zu lesen, ist Basis für Lesefreude, selbständiges Arbeiten mit Selbstkontrolle und selbständigen Wissenserwerb. Auch lesend kann sich ein Kind die Welt erschließen und wird zu einem mündigen Staatsbürger, einer mündigen Staatsbürgerin. Eine ausreichende Lesekompetenz ist auch Voraussetzung für mathematische Aufgaben. Beim Lösen von Textrechnungen scheitern viele Kinder schon am Lesen der Aufgaben. Ich nehme mir vor, jedes Kind innerhalb des nächsten Monats beim Lesen eines unbekannten Textes zwei Minuten lang zu filmen und das ganze am Schulschluss zu wiederholen, um einen Vergleich zu haben.

In der zweiten Schulwoche beginnen wir mit unserem Jahresprojekt: Getreide. Bernhard nimmt sechs verschiedene heimische Getreidearten mit, die von den Kindern genau (mit Becherlupen und Mikroskop) untersucht werden. Dann zeichnet jedes Kinde eine Getreidepflanze. Dabei werden Begriffe wie Ähre, Halm, Spelze, Büschelwurzel, … gelernt. Diese Zeichnung wird das erste Blatt unserer Projektmappe. Auch ein Lernmaterial mit Selbstkontrolle stellen die Kinder her. Sie befüllen Eprouvetten mit den verschiedenen Getreidekörnern und schmale, hohe Glasflaschen mit den dazugehörigen Getreidepflanzen. Mittels farbiger Markierungspunkte und Wörterkärtchen können die Kinder nun lernen, die verschiedenen Getreidearten zu unterscheiden.

Unser erster Nachmittagsunterrichts wird von Bernhard besonders liebevoll und aufwändig vorbereitet. Auf einer Plastikplane dürfen alle Kinder mit kurzen Holzstöcken Getreide dreschen. Dann werden die Körner gereinigt und die Spelzen ausgeblasen. Anschließend mahlen die Kinder ihr Getreide oder sie zerreiben es mit einem Mörser. Schließlich weihen wir unseren Schulherd ein, indem wir aus dem selbst gemahlenen Getreide Fladenbrote backen. Im Laufe der nächsten Monate wird uns das Thema Getreide immer wieder beschäftigen. Unter anderem haben wir vor, im Rasen vor dem Schulgebäude einen kleinen Schaugarten anzulegen und sechs verschiedene Getreidesorten anzubauen.

In unserem Gemüsegarten wird bereits gearbeitet: Trotz Regens legen Gabriel und Daniel mit Bernhard unser erstes Gemüsebeet an. Sie wollen Vogerlsalat anbauen.

Die Mädchen und Buben meiner ersten Schulstufe sind auch schon sehr tüchtig. Sie können bereits die Ziffern von 0 bis 3 erkennen, benennen und schreiben. Und sie lesen die ersten vier Buchstaben AMLU im Intra Act Plus Lese- und Rechtschreibkonzept, das ich an dieser Stelle nochmals wärmstens empfehlen möchte. Einigen gelingt es schon Buchstabenkombinationen zusammenzulauten.

Auch die Kreativität kommt nicht zu kurz. Wir gestalten diverse Hefteinbände und bedrucken Stofftaschen, die wir ab sofort für die Aufbewahrung der Hauspatschen am Garderobehaken verwenden. Im Religionsunterricht verzieren die Kinder mit Bernhard für die Klassen zwei Holzkreuze mit bunten Mosaiksteinen.

Helga bereiten mit viel Aufwand und Liebe ihre ersten Englischstunden vor und ist von der Mitarbeit der Kinder sehr begeistert.

Jeden Tag verbringen wir mindestens 40 Minuten im Freien (bis jetzt bei jeder Witterung). Dabei haben die Kinder den kleinen Bach hinter dem Spielplatz entdeckt - ein wahres Abenteuer-Paradis für sie. Nur das anschließende Gatschgewand- und Gummistiefelchaos im engen Eingangsbereich der Schule ist noch etwas verbesserungsbedürftig. Außerdem ist mindestens dreimal die Woche unsere Dusche im Einsatz. Das Gatschgewand aufgrund eines „Umfalls“ im Bach oder Ausrutschers auf der Böschung wird ausgezogen, in einen der vielen nun leeren Baustellenkübel gestopft, bei grober und in die Tiefe gehender Verschmutzung wird geduscht. Anschließend wird frisches Ersatzgewand angezogen. Dann geht es weiter mit einer Lerneinheit in der Klasse. Am Ende des Schultages nehmen die „verumfallten“ Kinder nicht nur ihre Schultaschen mit nach Hause, sondern auch kübelweise Gatschgewand. In welcher Frequenz dieser Sondertransport nach Hause für die Eltern zumutbar ist, werden wir am kommenden Elternabend abklären.

In den Pausen, die wir in den Klassenräumen verbringen, sind Bällchenbad und Rollbretter im Dauereinsatz.

Die Schule im Dialog ist also wirklich schon in diesen zwei ersten Schulwochen zu einem lebendigen Lern-, Kreativ-, Lebens- und Bewegungsraum geworden. Ich genieße es unendlich, jeden Tag mit dem Wissen in die Schule zu kommen, dass hier alle KollegInnen engagiert und mit Freude zum Wohle der uns anvertrauten Kinder arbeiten. Einiges werden wir sicherlich im Laufe der Zeit noch verbessern oder umorganisieren, aber die Basis stimmt schon.

Am Freitag fahre ich mit Gregor ins Metro und kaufe für 1 000 € Kochutensilien und Geschirr für unsere Schulküche ein. Dem gemeinsamen Kochen steht somit auch nichts mehr im Wege. Heute am Samstag packe ich mit Hilfe meines Vater – danke Papa! - alles Geschirr aus. Wir entfernen unzählige klebrige Klebeetiketten von Tellern, Schüsseln, Gläsern, Töpfen, …, waschen alles ab und verstauen es in den Kästen der Schulküche.

Anschließend räume ich endlich unsere Schulbibliothek ein. Familie Hörzig hat uns einen großen Karton voll neuwertige Bücher spendiert – vielen Dank – und auch ich habe die Bücherkisten meiner Kinder auf unserem Dachboden durchstöbert. So können wir unseren SchülerInnen an die 300 Bücher für alle Altersstufen zur Verfügung stellen.

Über die fast abgeschossene Kirchturmrenovierung, den Putzdienst und eine Geldspende von 1 400 € berichte ich im nächsten Blogeintrag. Bis bald!